Über uns

 

1.  Ziele und Zielgruppe: Kriminalpräventive und resozialisierende Arbeit mit jungen Menschen

Der SichtWaisen e.V. ist ein Jugendhilfeverein mit Sitz in Mainz, der sich laut Satzung vom  27. Januar 2019 in seiner Arbeit den Schwerpunkten Kriminal-, Gewalt- und Drogenprävention widmet. Unser Ziel ist es, Menschen für ein selbstbestimmtes Leben zu stärken und gemeinsam mit ihnen Wege aus Krisen zu finden. Unser Fokus ist die Prävention von Kriminalität, Gewalt und Drogenmissbrauch, doch sehen wir hier immer den Zusammenhang mit der gesamten Biografie eines Menschen. Somit sind generell familiäre, berufliche, psychische und physische Probleme und deren Bearbeitung ebenfalls Teil unserer Arbeit. Hierzu arbeiten wir in Gruppen- und Einzelangeboten mit Jugendlichen, Heranwachsenden und jungen Erwachsenen zwischen 14 und 27 Jahren. Neben präventiven Workshops bieten wir Beratungsangebote für junge Menschen und deren soziales Umfeld an. Zudem sensibilisieren und unterstützen wir mit unserer Expertise zum Beispiel sozialpädagogische Fachkräfte und Lehrpersonal und kooperieren mit Schulen, Jugendhilfeeinrichtungen, Kliniken sowie allen Organen des Strafvollzugs.

 

2.    Innovativer Ansatz: Ganzheitliche Beziehungsarbeit durch Expert:innen aufgrund eigener Lebenserfahrung

Den SichtWaisen e.V. zeichnet aus, dass wir aus eigener Lebenserfahrung von den Folgen und Gefahren eines kriminellen Lebensstils berichten. Als „Dolmetscher:innen“ vermitteln wir zwischen Eltern bzw. Fachpersonal und Betroffenen und bauen so Brücken. Dieser innovative Ansatz ist unser roter Faden, da Vereinsmitgründer Maximilian Pollux selbst auf eine kriminelle Vergangenheit zurückblickt.

Zu den SichtWaisen zählen sowohl erfolgreiche Krisenbewältiger:innen wie ehemalige Straffällige, Suchtkranke, Betroffene von Gewalt und weitere Expert:innen für widrige Lebensumstände als auch pädagogisches ausgebildetes Fachpersonal wie Sozialarbeiter:innen, Sozialpädagog:innen, Erzieher:innen. Erstere ergänzen als geschulte Mentor:innen die pädagogische Arbeit. Mit dieser geballten, ganzheitlichen Kompetenz geben wir jungen Menschen das Gefühl, emotional „gesehen“ und verstanden zu werden. Die so entstehende vertrauensvolle Beziehung versetzt uns in die Lage, ihnen neue Sichtweisen aufzeigen zu können und sie bei verschiedenen Fragestellungen und Problemlagen begleiten zu dürfen.

Unsere Zielgruppe steckt mitten im Erwachsenwerden: Junge Menschen zwischen 14 und 27 Jahren sind zunächst auf der Suche nach sich selbst und dann nach einem Platz im Leben. Sie grenzen sich von Eltern, Lehrkräften und anderen erwachsenen Bezugspersonen ab und streben nach Autonomie. Häufig sind sie besonders abenteuerlustig, risikobereit und empfänglich für Drogen und die Aussicht auf "schnelles Geld". Besonders gefährdete Jugendliche teilen oft die durch die Medien geprägten Vorstellungen, dass Kriminelle einen glamourösen Lebensstil pflegen und man nur skrupellos genug sein muss, um glücklich werden zu können.

Entsprechend ist Jugendkriminalität kriminologisch betrachtet kein seltenes Phänomen. 80 Prozent der Jugendlichen werden mindestens einmal kriminell. Für manche Jugendliche ist die Pubertät auch der Einstieg in eine mittel- oder langfristig von Kriminalität geprägte Biografie.

Wir glauben, dass Jugendliche genau in dieser Phase Mentor:innen brauchen, die ihrer Lebenswelt entspringen, die sich nicht nur in sie hineinfühlen können, sondern genau wissen, wovon sie sprechen. Lehrkräfte und Sozialarbeiter:innen leisten zweifelsfrei einen wertvollen Beitrag in der Erziehung und Prägung der Jugendlichen, erreichen diese jedoch häufig nicht, weil sie als Abgrenzungssubjekte und/oder als nicht glaubwürdig wahrgenommen werden. Die SichtWaisen hingegen bringen genau diese Expertise mit: Sie blicken auf eigene Erfahrungen mit einem kriminellen Lebensstil zurück und können gefährdeten oder bereits straffällig gewordenen Jugendlichen als glaubwürdige Respektpersonen wichtige gesellschaftliche Werte vermitteln. Sie stellen den mit einem kriminellen Lebensstil verbundenen Mythen echte Erlebnisse, echtes Leid und echte Schicksale gegenüber. Als Vorbilder überliefern sie den jungen Menschen Strategien, um straffrei zu bleiben.

Die SichtWaisen Mentor:innen verdienen sich das Vertrauen der Jugendlichen, indem sie von ihrer eigenen Vergangenheit erzählen, von ihren damaligen Vorstellungen und Träumen und wohin sie ein Leben in Kriminalität schließlich geführt hat. Sie berichten insbesondere auch von den Folgen für die Angehörigen. Denn das Leid und die Scham der eigenen Familie sind oft die letzten Punkte, mit denen man Jugendliche noch erreicht, die bereits ideologisiert sind. Dabei wird klar, dass man sich den Wunsch nach Respekt, Geld und Status nicht auf diesem Weg erfüllen kann. 

Durch den positiven Kontakt zu den Jugendlichen und als Expert:innen sowohl für Delinquenz als auch für ein Leben in der gesellschaftlichen Mitte können die Mentor:innen auch dazu beitragen, die Beziehung zu den Bezugspersonen der jungen Menschen wiederherzustellen oder zu verbessern. 

Wir SichtWaisen haben die Erfahrung gemacht, dass Jugendliche oft nur ein wenig Wahrheit brauchen, um in Zukunft konstruktivere Entscheidungen treffen zu können.

 

3. Vereinsentstehung und -entwicklung:

Der Verein wurde im Januar 2019 durch Maximilian Pollux und Catherina Huber in Mainz gegründet. Die Geschichte des Vereins ist eng verbunden mit der persönlichen Biografie von Maximilian Pollux: Mit 19 Jahren flüchtet Maximilian aufgrund eines Haftbefehls ins Ausland. Nach zwei Jahren auf der Flucht wird er verhaftet und verbringt zehn Jahre seines Lebens im Gefängnis. Dort fängt er an, seine kriminelle Biografie kritisch zu reflektieren, er schreibt darüber, sucht nach neuen Vorbildern und Idealen. Nach seiner Entlassung veröffentlicht er Kurzgeschichten und Bücher zum Thema Kriminalität. Privat beginnt Maximilian sich erstmals ein "gutes Leben" aufzubauen.

Das erste Konzept für die kriminalpräventive Arbeit mit Jugendlichen entwickelt Maximilian gemeinsam mit einer Lehrerin, nachdem er bei seiner Lesung auf der Frankfurter Buchmesse von ihr an ihre Schule eingeladen wurde. Maximilian spricht dort über seinen Lebenswandel. Der Tag an der Schule wird ein voller Erfolg – Lehrer:innen und Schüler:innen sind sich einig, dass der Workshop ein fester Bestandteil des Präventionspakets der Schule werden soll – Maximilian hatte seine Berufung gefunden.

Frau Catherina Huber, Maximilians Frau, ist von Anfang an beteiligt an der Entwicklung des Vereins. Sie gibt als gelernte Erzieherin und Familienhelferin den nötigen Input, um die Ideen sachlich und fachlich in das richtige Format zu bringen. Neben ihrer beruflichen Erfahrung als angehende Sozialarbeiterin bringt sie als Angehörige eines Ex-Kriminellen besondere Einblicke mit: Sie weiß aus erster Hand, dass kriminalpräventive und resozialisierende Projekte innovativ sein müssen, um jungen Menschen zu erreichen.

Mit dem Ziel, ein Fundament zu schaffen, auf der die präventive Arbeit wachsen und sich um resozialisierende Angebote erweitern kann, gründen die beiden mit Unterstützer:innen aus verschiedensten Fachrichtungen den SichtWaisen e.V. Jetzt können sie durch weitere Projekte und die Einbindung neuer Mitarbeiter:innen weitere interessierte Institutionen im gesamten deutschsprachigen Raum erreichen und gezielt auch Betroffene ansprechen.

Heute besuchen die SichtWaisen mit ihren Workshops und Vorträgen neben Schulen und Jugendhäusern und Vereinen, auch Gefängnisse und Arrestanstalten, Kliniken und viele weitere soziale Einrichtungen. Darüber hinaus ist eine Online-Sprechstunde als Schnellhilfe für Betroffene und Bezugspersonen etabliert und als längerfristige Begleitung wird ein Mentoring angeboten. Ein systemisches Anti-Gewalt-Training (SAGT®) für Gruppen und Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte ergänzen unser Programm. 

Perspektivisch möchten wir unser Angebot um pädagogische Betreuungsangebote erweitern: Um junge, straffällig gewordene oder von Straffälligkeit bedrohte Menschen bei der Aufarbeitung individueller Problemlagen zu unterstützen, wollen wir uns im Bereich der Betreuungsweisungen und Erziehungsbeistandschaften etablieren.

Seit März 2021 ist der SichtWaisen e.V. auch Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband.